Die Entscheidung für eine Weltreise
Im Spätsommer 2019 erzählte mir Tomek, dass er den großen Wunsch hat, mehr von der Welt zu sehen. Er hatte schon länger darüber nachgedacht und hat gemerkt, dass die 30 Tage Urlaub pro Jahr für ihn nicht mehr ausreichen, um sich diesen Traum zu erfüllen. Er möchte für unbestimmte Zeit auf Weltreise gehen. Zu dem Zeitpunkt arbeiteten wir beide seit anderthalb Jahren in Köln und hatten eine wunderschöne Wohnung in Klettenberg. Ich war ein bisschen überrumpelt, dennoch festigte sich auch bei mir nach ein paar Tagen Bedenkzeit der Wunsch, nochmal alle Verpflichtungen aufzugeben und mit ihm gemeinsam völlig frei um die Welt zu reisen. Wir beschlossen bald, dass wir für diesen Traum alles kündigen wollen und dass es ab April 2020 losgehen soll!
Man liest oft in Reiseforen oder in anderen Reiseberichten, dass man Jahre vor der Reise schon mit der Planung beginnen sollte. Bei uns lagen zwischen endgültiger Entscheidung für eine Weltreise und der tatsächlichen Kündigung gerade mal ein paar Wochen. Der Wunsch loszuziehen wuchs von Tag zu Tag mehr und wir wollten es nicht länger nach hinten verschieben. Glücklicherweise hatten wir schon seit dem Beginn unseres Zusammenlebens Geld zur Seite gelegt und da wir beide gut verdienten, kein besonders luxuriöses Leben führten und nie großartig neuen Trends hinterherjagten, kam in den zwei Jahren auch eine gute Summe zusammen, mit der wir losreisen wollten. Aber wir wollten auch über Plattformen, wie workaway oder wwoofing bei Einheimischen arbeiten und dafür kostenlos dort wohnen und somit mit einem kleinen Budget um die Welt reisen.

Die ursprüngliche Route
Die Welt ist so groß und wir wollen so viel wie möglich davon erleben! So oft standen wir vor unserer großen Weltkarte im Wohnzimmer und haben überlegt, wohin es als erstes gehen soll. Vielleicht eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn? Auch Südamerika reizte uns sehr und es war ein großer Traum von uns beiden, einmal Patagonien zu bereisen. Aber auch seitdem ich 2016 für ein Praktikum in Neuseeland war, wünsche ich es mir, mit Tomek nochmal hinzufliegen, das Land zu bereisen und meine alten Freunde wieder zu besuchen. Schnell stand für uns aber fest, dass wir uns auf der Weltreise nicht durch zu viel Planung einschränken wollen, kaum Flüge im Voraus zu buchen und alles auf uns zukommen zu lassen (Im Nachhinein hatten wir damit genau den richtigen Riecher!).
Das einzige, was dann wirklich wenige Wochen vor Weltreisestart feststand war: Wir werden mit Tomeks Eltern gemeinsam in Rom starten und anschließend zu zweit mit dem Zug durch Italien und Frankreich nach Spanien weiterfahren. Dort suchen wir uns einen Host, bei dem wir workaway machen können und unsere Spanischkenntnisse verbessern können. Im Juni würde es kurz für eine Hochzeit nach Deutschland zurückgehen, anschließend reisen wir 3 Monate weiter (Ziel unbekannt), im September findet noch eine weitere Hochzeit statt und danach möchten wir nach Mexiko fliegen. Von dort machen wir uns dann auf den Weg nach Südamerika und wer weiß, wohin der Wind uns noch so führt. Das war der Plan…
Die Corona-Pandemie: Platzt unser Traum?
Als man zum ersten Mal vom “neuartigen Corona-Virus” in China hörte, waren wir gerade mitten in der Vorbereitung. Wir hatten unsere Jobs 3 Monate im Voraus gekündigt, waren grad auf der Suche nach einem Nachmieter in Köln, suchten nach einer passenden Auslandskrankenversicherung und fingen an, die ersten Kisten zu meinen und Tomeks Eltern zu fahren. Auf unseren Traum schien das Virus keinen Einfluss zu haben, die Gefahr wirkte so weit weg. Die Wochen vergingen und wir kamen unseren letzten Arbeitstagen immer näher.
Als dann die Infektionszahlen in Italien stiegen, waren wir immernoch viel zu optimistisch. Schließlich gab es in Rom keine Corona-Fälle und die Regionen am Meer, durch die wir auf der Bahnstrecke reisen wollten, waren auch nicht gefährdet. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse, jeden Tag kamen neue Fälle hinzu und eine Woche vor meinem letzten Arbeitstag erhielten wir dann die Nachricht, dass unsere Flüge nach Rom (die einzigen, die wir gebucht hatten) storniert werden mussten. Komischerweise blieben wir immernoch optimistisch, beschlossen, dass wir dann einfach in Spanien starten möchten – doch auch ein Tag später wurden in Spanien alle Schulen geschlossen und nur wenige Tage darauf wurde in ganz Spanien eine Ausgangssperre verhängt. An Tomeks letztem Arbeitstag, am 12. März, realisierten wir zum ersten Mal, dass unser Traum von einer Weltreise wirklich auf der Kippe steht. Ich weiß noch ganz genau, wie traurig sich das für mich angefühlt hat. Während wir also erstmal unser Startdatum (31.März) verschoben, räumten wir weiter unsere Wohnung aus und den bereiteten den Auszug vor. Ich hatte dann am 18. März meinen letzten Arbeitstag ganz ohne Verabschiedung der Kollegen, denn alle waren mittlerweile ins Home Office geschickt worden. Auch wenn sehr traurige Momente immer wieder dabei waren, irgendwie fühlte sich unsere Entscheidung zu kündigen immernoch richtig an und wir waren voller Hoffnung, dass es irgendwann losgehen kann.
Abschied aus Köln
Unser “quitventure” startete also im März 2020 in Köln. Nach mehr als zwei Jahren in der gemeinsamen Wohnung und fast fünf Jahren für mich in dieser Stadt hieß es Ende März dann endgültig Abschied nehmen. Die Wohnung wurde erfolgreich an eine sehr liebe Nachmieterin übergeben und wir können stolz berichten, unseren Umzug ganz alleine und nur mit unserem Auto gemeistert zu haben. Die Maßnahmen gegen das Corona-Virus erschwerten nämlich auch Umzüge mit mehreren Personen.
Nachdem wir also keine eigene Wohnung mehr hatten, blieb nur noch eine Sache für uns zu tun. Wir wollten ein Liebesschloss anbringen – nicht aber an die Hohenzollernbrücke. Der letzte Spaziergang am Rhein, das letzte Mal an den Kranhäusern und das letzte Mal die Domspitzen direkt vor den Augen.

E Stöck vum Hätz blieht für immer heh!
„Wwoofing“ in Deutschland
Nachdem wir die ersten Wochen bei Tomeks Eltern wohnen konnten, erfuhren wir, dass aufgrund der Corona-Krise die Erntehelfer, die meist aus osteuropäischen Ländern kommen, nicht einreisen konnten. Somit suchten viele Bauern verzweifelt nach Hilfe, manche mussten sogar die Ernte für dieses Jahr vollkommen aufgeben. Da wir in unserer Wartezeit nicht untätig sein wollten und auch auf Reisen gerne auf dem Feld mitanpacken wollten, starteten wir eine kurze, aber intensive Karriere als Erntehelfer bei einem Spargelhof in der Pfalz.
Während dieser Wochen wohnten wir bei meinen Eltern in meinem alten Kinderzimmer, arbeiteten sechs Tage die Woche bei jedem Wetter auf dem Spargelfeld, ließen uns von der Sonne verbrennen und zeigten unseren Körpern, dass es Muskelpartien gibt, von denen wir bis dato nichts wussten. Auch wenn die Arbeit körperlich anstrengend war und wir oft platt ins Bett gefallen sind, so hat die Beschäftigung an der frischen Luft uns gut gefallen. Außerdem konnte man jeden Tag sehen, was man geschafft hatte, was auch sehr motivierend war.
Was uns auch sehr gut gefallen hat, war der eigene Hofladen des Betriebs und so waren wir für die nächsten Wochen mit Spargel und Rhabarber eingedeckt. Auch konnten wir die Vorzüge daran finden, dass der Betrieb nicht nur Spargel, sondern auch Erdbeeren im Sortiment hatte.
Neuer Alltag in Germersheim
Doch auch dieser Job hatte ein Ende und wir begannen, meinen Eltern in Germersheim bei allen möglichen Aufgaben im Haus zu helfen. Das war vor allem das Brennholz für den Winter vorzubereiten, die Weinreben zu stutzen und Gemüsesetzlinge einzupflanzen.
Auch wenn wir immer wieder von Freunden hörten, dass das mit unserer Reise dieses Jahr nichts mehr wird, wollten wir an unserem Traum festhalten. Dennoch gab es im Mai immernoch Einreiseverbote in andere Länder. Also nutzten wir die Zeit in Deutschland dafür, uns das Land genauer anzuschauen und die Welt “vor der Haustür” mal unter die Lupe zu nehmen!
Ausflüge in den Pfälzerwald
Die Pfalz hat noch mehr zu bieten als nur Arbeiten und wir unternahmen einige Wanderungen und Ausflüge im Pfälzerwald. Der Pfälzerwald macht ca. 1/3 der gesamten Pfalz aus und liegt von Germersheim nur ca. 20 Minuten entfernt.
Unsere erste Wanderung startete in Wachenheim und führte von der Wachtenburg bis zum Eckkopf und durch die Weinreben wieder zurück nach Wachenheim.

Ein paar Tage später unternahmen wir bei bestem Wetter die Annweilerer Burgenwanderung und kamen an tollen Felsformationen vorbei bis wir an der Burg Trifels ankamen. Dort war der Einlass aber nur mit Mundschutz möglich, wir hatten allerdings keinen dabei und genossen daher nur die Aussicht von oben mit leckeren Erdbeeren, die wir uns mitgebracht hatten.

Eine dritte Wanderung war die Steinfelder Westwallwanderung. Der Westwall war die rund 600 km lange, von Basel bis Aachen reichende deutsche Befestigungslinie im III. Reich, erbaut etwa Mitte 1938 bis Anfang 1940 zum Schutz der deutschen Westgrenze gegen Frankreich und als Gegenpol der bereits bestehenden Maginotlinie auf französischer Seite.
Heute kann man dort gut entlang wandern und nur noch Schilder und einige Überreste von Bunkern zeigen, was damals vor Ort passiert ist. Für uns war es eine spannende Erfahrung und auch interessant, dass so etwas nur wenige Kilometer von meinem Heimatort zu finden ist.
Ausflug auf die andere Seite des Rheins nach Baden-Württemberg
Auch meine Oma besuchten wir zu der Zeit mit großem Abstand, aber dennoch sehr regelmäßig und konnten dabei auch feststellen, wie wunderschön das Kraichtal zum Spazierengehen ist.
Besonders toll war auch, dass wir zur Erntezeit bei meiner Oma im Garten sein konnten und unsere neu erlernten Ernteskills an ihren Kirschbäumen und an den Johannisbeerfeldern unter Beweis stellen konnten. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich auch Marmelade eingekocht, weil wir so so viele Kirschen hatten.
Trip an die Nordsee
Anfang Juni waren die Corona-Fälle wieder auf einem sehr geringen Niveau und inzwischen war es wieder möglich, ohne große Einschränkungen durch Deutschland zu reisen. Auch wenn uns der Pfälzerwald gut gefällt und man dort viel Zeit verbringen kann, reizte uns der Gedanke, mal wieder ans Meer zu fahren. Ende Mai waren wir bei Tomeks Eltern in Hamm zu Besuch, von wo es nur knapp 3 Stunden an die Nordsee sind. Und so fuhren wir an einem Morgen früh los und konnten endlich wieder Meeresluft schnuppern! Da wir ganz in der Nähe von Wilhelmshaven waren, statteten wir auch der Stadt einen Besuch ab, denn Tomek hat dort vor 10 Jahren seine Zeit bei der Bundeswehr verbracht.
Der Weltreisestart mit einer Verspätung von 3 Monaten
Anfang Juni hörten wir dann, dass die Grenzen der europäischen Länder wieder größtenteils offen sind und man ohne große Einreisebestimmungen fliegen kann. Wir schauten nach günstigen Flügen, fanden einen Flug von Dortmund nach Palanga, Litauen drei Wochen später und konnten nicht anders, als ihn zu buchen. So kam es dann, dass wir mit einer Verspätung von nur drei Monaten unseren Weltreisestart endlich wieder vor Augen hatten. Ich weiß noch, wie glücklich ich an dem Abend war und noch gar nicht glauben konnte, dass es jetzt wirklich losgeht.
Unseren Reisebericht von Litauen findet ihr hier.
Hallo ihr zwei, bin ich der erste Kommentierer hier generell auf eurem Blog? Bin heute zu meiner Schande wirklich das erste Mal hier, aber ab jetzt ganz sicher regelmäßiger 😉
Wie krass, dass Tomeks letzter Arbeitstag am 12. März war, genau einen Tag bevor am „Freitag dem 13.“ (ich bin nicht abgergläubisch, das bringt Unglück) der erste Corona-Lockdown in Deutschland beschlossen wurde. Glücklicherweise kann man aus heutiger Sicht nur feststellen, dass man wirklich jede Situation sinnvoll und erfüllend nutzen kann und sich vor allem seine eigenen Pläne und Vorstellungen nicht von den Meinungen anderer in Frage stellen lassen muss 🙂
Also, in diesem Sinne (nein, nicht Regenrinne), Feliz Navidad und machts weiterhin gut!
Danke für deinen Kommentar und schön, dass du dir unsere Seite anschaust 🙂 Ja, rückblickend betrachtet ist es echt verrückt, dass wir ausgerechnet dann unseren ursprünglichen Start geplant hatten, als die Pandemie so richtig losging… Aber ich glaube irgendwie, dass wenn wir den Weltreisestart erst für 2021 geplant hätten, wir uns vielleicht von dem Traum hätten abbringen lassen. So ist es echt der Wahnsinn, was wir in diesem außergewöhnlichen Jahr trotzdem alles erleben dürfen 🙂